Kreuzdarstellungen

Das Kreuz im Wandel der Zeit

Für die Akzeptanz der Gestaltung von Meide Büdel ist es hilfreich, sich die Veränderung des Gottesbildes der Christen und damit den Wandel der Kreuzesdarstellungen in der Zeit vor Augen zu halten.
Annähernd 1000 Jahre war das Kreuz ein mit Juwelen – Edelsteinen und Perlen – geschmücktes Kreuz in feinster Filigran-Goldarbeit. Die Vierung als Zentrum wurde dem Haupt Christi zugeordnet und wurde am kostbarsten gestaltet, sie wurde als Kompass– Rose zur Wahrnehmung des Lebensweges verstanden. Erst gegen Ende des 1. Jahrtausends wurde diese kosmische Kreuzgestaltung mit einer Darstellung des Gekreuzigten verbunden, teils noch als eher schemenhaftes Zeichen.

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Den plastischen Korpus Christi am Kreuz erschafft die Romanik. Das berühmte Kreuz der HeiligKreuzkirche in Schaftlach gehört zu den frühesten Darstellungen: es wurde im Zuge seiner Restaurierung als ottonisches Kreuz um 1000 bis 1020 entstanden datiert. Das Gesicht mit weit geöffneten Augen strahlt Hoheit und Lebendigkeit aus, der Körper ist unversehrt, die Arme segnend, das Lendentuch kostbar geschnitzt und bunt gefasst, der Korpus ursprünglich vor einem farbigen Kreuzbalken postiert – das Bild des siegreichen, gekrönten Christus. Die Gotik erlebte den Gekreuzigten als den zu Tode gemarterten Menschen am Kreuz – Cruzi fixus – und verwirklichte ihr gewandeltes Gottesbild. Es ist beeindruckend, dies am Schaftlacher Kreuz ablesen zu können; diese Epoche hat „ihren Christus“ einfach über den Christus der Vorzeit gemalt: Leid und Tod wurden anstelle des Sieges dargestellt, die Augen geschlossen, gebrochen; Blutspuren über Gesicht und Hals von einer Dornenkrone, die blutende Wunde über der Brust, Blutspuren an den Knien, das ursprünglich kostbare farbige Lendentuch weiß übermalt, anstelle des farbigen Kreuzbalkens ein grobes dunkles Bretterkreuz. Im Wandel der Zeit war ein neues Christusbild entstanden und forderte eine neue Kreuzdarstellung. Die Barockzeit verdeutlichte diesen Wandel nach ihrem Stil – jede weitere Kulturepoche suchte ihre Schau zu verwirklichen. Gemmenkreuz, Reichskreuz aus dem 11. Jahrh. Lotharkreuz, ca. 990 n. Chr., Gravur des Gekreuzigten Schaftlacher Kreuz, Ottonisches Kruzifix, Ende 10. Jahrh. – vor und nach der Restaurierung. Auch die Lebensphasen des Künstlers spiegeln sich in seinem Werk – werfen wir nur einen kurzen Blick auf Kreuzesdarstellungen von Helmut Ammann seit der Zeit der Erbauung unserer Auferstehungskirche 1955 bis zur Jahrtausendwende. In seinem Tagebuch schreibt er 1966 zu „Betrachtungen über Voraussetzungen zeitgenössischer Kunst…Von Generation zu Generation muss die Welt neu gesehen, neu aufgefasst, neu benannt werden…“ Seine Kreuzesdarstellungen machten immer den Wandel der Zeit mit. Der 3 Generationen ältere Helmut Ammann suchte bereits Zeichen für Theologie und Glauben. „Spalte das Holz und ich bin dort“ – so ein apokryphes Wort Christi. Für dieses Wort schuf der Künstler in einer Holzplastik (1980) ein Signet: Ein schwarz getönter Lindenholzblock, aufgebrochen zum Kern im hellen Holz.. Zu dem Wort Christi schreibt er „…Also, es ist nichts zu tun als aufzutun…“ (Biografie S. 139, Helmut Amman, Bildhauer – Maler – Grafiker, Biografie Callwey Verlag 1997) 

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1. Kreuzigungsgruppe St. Stephan Würzburg
2. Mahnmal zum Kriegergedenken auf dem Friedhof in Pöcking (1983)
3. Letzte Bronzeplastik: das Kreuz, die aufgebrochene, verwundete Erde aufnehmend und bergend im christlichen Symbol.
 4. Holzplastik, Helmut Ammann, 1980

Meide Büdel gestaltet den Mittelpunkt ihres Entwurfes als „…sich öffnende Form aus Eiche oder Lärche“; diese Form spaltet „sich in zwei kubische Blöcke, die mit Feuer geschwärzt sind.“ Diesen „Corpus“ fesselt sie – bindet ihn – mit zwei starken Riemen und vier Sechskantschrauben an die Kirchenwand. Welche Aussage! Wenn wir heute nach einer Kreuzesdarstellung suchen, dann müssten wir erkennen: Frühchristliche juwelengeschmückte kosmische Kreuze können nicht gemeint sein, auch ein sieghafter romanischer Kruzifixus ist nicht möglich; ein schmerzgequält – gestorbener gotischer Kruzifixus soll es nicht sein; ein barocker überemotional leidender Kruzifixus kann es auch nicht sein; ebenso kein fast zur Unkenntlichkeit Zerstörung verkörpernder Kruzifxus des 20.  Jahrhunderts. Jede Zeit nimmt die Gestaltung gemäß ihrer Innenschau vor. Ein Weg zurück ist nicht möglich. Das bedeutet nicht Verlust von Tradition sondern Tradition im Sinne von Max Frisch verstanden: „…sich an die Aufgaben seiner Zeit wagen mit dem gleichen Mut, wie die Vorfahren ihn gegenüber ihrer Zeit hatten. Alles andere ist Imitation…“ Unsere Zeit sucht nach Zeichen, Symbolen und Übersetzungen der Botschaft des Kreuzes, sucht nach Gestaltungsmitteln freier Form – versucht zu entkörperlichen, um zum Geist vorzudringen.

Meide Büdel zeigt in ihrem Werk einen Weg, abseits der traditionellen Ikonographie: Anstelle einer Verkörperlichung setzt sie ein Zeichen, sie erschließt eine neue Dimension der Wahrnehmung, fordert Bewusstmachung christlicher Transparenz, induziert kreative Schau und trifft damit eine Christusbewusstheit des 21. Jahrhunderts. Dabei fügt sich ihre Darstellung ohne Bruch und ohne Verletzung harmonisch in das architektonisch -ikonographische Kunstwerk Auferstehungskirche. Sie hat die christliche Botschaft in ein Signum transzendiert mit Schau und Werksprache des 21. Jahrhunderts. Ihr Entwurf machte uns sprachlos – er ist in seiner Gestaltung so kühn und fremd wie seinerzeit das Bauwerk der Auferstehungskirche empfunden wurde und teils auch heute noch empfunden wird.